Kapitel Glaube ist eine Waffe Roman Winterfachen von Isabelle Dreher

Glaube ist eine Waffe – Winterfachen

„Wie war denn dein Tag?“, fragte Ilay seine Frau, nachdem er alles gegeben hatte und sie in seinen Arm zog, nicht anders als es der Christus getan hätte.

„Schön“, flüsterte sie, noch immer benommen von den Momenten in Jerusalem, aber letztlich auch geborgen in ihrem Ehemann und in Gott.

„Ich war auf unserem Markt in Jerusalem“, begann sie zu erzählen, „dort habe ich mich mit Jesus unterhalten und ihn nochmal gebeten, uns die Kinder zu schenken, die er uns ja versprochen hat, so wie einst Abraham und Sara. Dabei waren die beiden ja schon sehr alt, als ihnen Isaak gegeben wurde“, grinste sie Ilay an.

„Also, so alt sind wir ja nun auch noch nicht“, lachte Ilay hell auf, „und Gott ist ja eher mehrdimensional, auch wenn wir das kaum begreifen können.“

Abraham und Sara waren um die Hundert gewesen, als sie ihren verheißenen Sohn empfingen. Letztlich hatten sie nicht mehr nur auf das Sichtbare geschaut, sondern auf das Unsichtbare, das ewig halten würde. Darum hatte es sich Gott vorbehalten, Abraham zu prüfen, ob dieser ihm wirklich und umfassend glaubte, denn er wollte ihn groß machen, als er zu ihm sagte: „Opfer mir deinen geliebten Sohn.“ Abraham tat es, denn er konnte davon ausgehen, dass der Gott, an den er glaubte, ein guter Gott war, und folglich durch diese Opferung auch etwas Gutes geschehen würde. Als Gott sah, dass Abraham ihm glaubte, gehiess er ihm, Isaak loszulassen und stattdessen einen Widder als Opfer zu nehmen, der wie aus dem Nichts auftauchte. Nach dieser Prüfung wurde Abraham ‚Vater vieler Nationen‘ genannt und wurden seine Nachkommen so zahlreich wie die Sterne am Himmel. Noch heute beriefen sich Gläubige weltweit darauf, dass Abraham Gott geglaubt hatte und sie als dessen Nachkommen in seinem Segen standen, was auch bedeutete, allein durch Glauben in Gottes Augen als gerecht zu gelten. Abraham hatte damals gewusst, weil er Gott allzu gut kannte, dass der seinen Sohn würde wieder zu Leben bringen können, wie es Gott später mit seinem eingeborenen Sohn tat: Jesus Christus. Die Bibel war voll mit Stellen, die auf das Zukünftige verwiesen, nicht zuletzt auf das letzte Geschehen, von Propheten wie Jeremia, Jesaja, Hesekiel oder Daniel vor Jahrtausenden angekündigt. Dabei bezeugte eine Textstelle der Bibel eine andere und schillerte der Erlöser aus dem Hause Davids in manchen Versen bereits auf. Letztlich bezeugte Gott sich selbst und verwies immer wieder auf sich selbst, in dem sich der Vater, der Sohn und der Heilige Geist gegenseitig bezeugten.

„Das hattest du schon mal gesagt“, fiel Nourina auf.

„Darum sollten wir ihm auch unbedingt glauben, selbst wenn uns das von ihm zu unvorstellbar, weil unfassbar oder zu groß vorkommt“, nickte Ilay bestätigend und rückte sie etwas von sich weg, um ihr mitten ins Gesicht blicken zu können. „Denn die einzige Waffe, die wir in dieser Welt haben, ist unser Glaube. Unser Glaube ist begründet im Wort, das der Christus ist. Durch das Wort des Christus, der zusammengenommen unzählig viele Worte ist, können wir jederzeit diese Mittel einsetzen, um den Worten des Verderbers Gottes Worte des Lebens entgegenzuhalten oder eben über Menschen, Situationen, Gebieten und Nationen aussprechen. Denn der Widersacher versucht, uns unseren Glauben zu nehmen, wodurch er Macht bekommt, die Gebiete, die eigentlich uns gehören, zu erobern. Das können Gebiete in uns selbst wie auch ländliche Territorien sein. Denn indem wir unseren Glauben verlieren an das, was uns verheißen ist, als Mensch und besonders als Kind Gottes, kommen wir überhaupt nicht mehr auf den Gedanken, es von Gott einzufordern oder von der anderen Seite zurückzufordern. Da wir aber alle Gottes Kinder sind, besonders wir, die wir zum Mensch gewordenen Sohn Gottes gehören, in seiner Blutlinie stehen und durch das Erbe vom Kreuz her seine DNA haben, können wir all das überwinden, was uns entgegensteht, also jede Welle, jeden Wind, jedes Hindernis und jeden Berg. Aber wir müssen Gott glauben. Und auch, dass er niemals böse auf uns ist. Sein ganzer Zorn auf uns Menschenkinder ist am Kreuz zerborsten und hat sich dort erschöpft. An Jesu Körper hat sich der gesamte Zorn Gottes verzehrt. Wir müssen verstehen, was auch immer geschehen ist, derzeit geschieht oder noch geschehen wird, dass Gott uns niemals aufgeben wird. Gott Vater hat ein gutes Herz. Er hat ein echtes Vaterherz. Er wird uns nicht mehr zürnen“ flüsterte Ilay schließlich, ein wenig erschöpft, denn sehr genau nahm er im Herzen seiner Frau wahr, dass die immer noch fürchtete, Gott zürne auch ihr.

Unabhängig davon, was er ihr alles schon gesagt und Nourina bereits an Gutem erfahren hatte. Als strafe Gott sie durch nicht erfüllte Wünsche, so kam es Nourina vor. Was genau der Irrtum war, der zahlreiche Menschen ebenfalls dazu veranlasste, Gott nicht einmal nahe kommen zu wollen, da in ihnen Gedanken gespeichert war, dass Gott zerstörte. Alles und das auch noch flächendeckend. Was durchaus in Gottes Hand lag. Wer aber vollkommen ohne Gnade raubte und vernichtete war der Widersacher Gottes, der wusste, wie Gott wirkte und darum auch genau die Punkte traf, die Menschen von Gott wegzogen. Dabei hatte Gott schon nach der Sintflut einen neuen Bund mit den Menschen geschlossen und geschworen, niemals wieder so sauer auf seine Kinder zu sein. Als Zeichen des neuen Bundes und als Erinnerung hatte er den Regenbogen mitten in den Himmel gesetzt. Wie viel mehr aber hatte Gott zu vermitteln versucht, dass durch den Christus, die Tür zu ihm, jedes einzelne Menschenkind nichts mehr zu fürchten habe – außer vielleicht noch den Widersacher in unterschiedlicher Gestalt, der jeden Glauben und jedes Leben auf Erden einfach nur noch vernichten wollte, weil er selbst gefallen war. Und das tief.

„Wir Menschen fürchten, dass Gott selbst uns zürnt und bestraft“, setzte Ilay erneut an, denn er spürte allzu deutlich Nourinas wild klopfendes Herz an seiner Brust, „weil wir davon ausgehen, dass er ein böser Gott ist, weil das so viele sind, die wir kennen, ob nun Eltern, Menschen oder andere Götter. Und eben auch, weil wir selbst oft genug finden, nicht gut genug zu sein, letztlich für Gott und für all das Herrliche, was er für uns hat. Aber das ist komplett überflüssig, denn Gott sorgt in allem für uns, weil er uns das versprochen hat“, erläuterte Ilay. „All das, was er uns durch andere in der Bibel wie in einem Testament dargelegt hat, ist für uns, weil uns Gott als seine Kinder betrachtet, was bedeutet, wir sind in seinem Ebenbild geschaffen. Aber Gottes Angebot an uns übertrifft bei weitem jede Nachfrage, denn bei ihm herrschen ganz andere Gesetze als in der Welt, sie sind diesen sogar entgegengesetzt. Bei Gott bekommt jeder immer mehr als er gibt. Das einzige Mal, wo Gott sagt, man solle ihn ruhig prüfen, bezieht sich auf den Zehnten. Und bei ihm ist es auch so, dass die, die dienen, höher stehen als jene, denen gedient wird. Was wir an Jesus sehen, der uns dient. In der Welt aber sieht das ganz anders aus und hat ein Journalist neulich geschrieben, Brasilien lasse sich anhand einer Dienstmagd erklären, also daran, wer für andere putzt und wer für sich putzen lässt. In der Welt aber stehen die höher, denen gedient wird, warum das mehr oder weniger alle Menschen erstreben und dadurch andere fast zwangsweise zu Sklaven machen. Gottes Währung aber heißt Gnade, was bedeutet, dass er sich um uns alle kümmert, und das sogar durch andere Menschen oder Dienste, die diese aufbauen. Trotzdem meinen wir immer noch, wir erhielten nur dann etwas, eben auch von Gott, wenn wir etwas dafür tun. Die Rechnung auf unserer Seite lautet: Wenn wir das machen, was wem auch immer gefällt, dann bekommen wir. Erst aber müssen wir etwas leisten. Bei Gott ist das anders. Letztlich hat er uns zuerst geliebt. Darum hat er auch sich selbst und sein Leben gegeben, in Jesus Christus, um allen Menschen zu dienen, Überfluss zu schenken und uns in seiner Liebe überhaupt erst dazu zu befähigen, für besonders Schwächere da zu sein. Eigentlich brauchen wir alle ihn, die Starken wie die Schwachen, die Reichen wie die Armen, da wir alle irgendwo begrenzt sind. Gottes Gnade aber, die auch seine umfassende Liebe für jeden von uns ist, hört niemals auf, was auch immer wir tun oder nicht tun. Trotzdem haben wir immer noch Angst, dass wir etwas falsch machen könnten. Gerade ihm gegenüber. Weil der Widersacher, der Teufel, umhergeht wie ein brüllender Löwe, und die Menschen einzuschüchtern oder ganz zu verschlingen sucht. Der Engel des Lichts, der Widersacher Gottes, gibt sich zwar als Gott aus, also brüllt mit dessen Stimme und imitiert damit Jesus, den Löwen von Juda, aber letztlich muss er erst mal jemanden finden, der seinem Angst einflößenden Brüllen auch glaubt. Denn der wirkliche Löwe oder König ist ja Jesus Christus. Dem Widersacher gelingt das alles nur darum, weil wir selbst eigentlich gnadenlos sind. Weil wir niemandem etwas Gutes einfach nur schenken wollen. Und das bedeutet, jemandem etwas Gutes zu sagen oder zu tun, obwohl der das in unseren Augen gar nicht verdient hat. Die sozialen Netzwerke sind voll von diesen Hatern. Die Welt ist kalt und wütend, mehr noch heutzutage als damals. Und schon da waren Sodom und Gomorra Beispiele dafür, was Gott mit den Menschen macht, die komplett überdrehen. Wir aber haben durch den lebendigen Gott nicht Religion, sondern Gnade. Eigentlich sollten wir Christen Zeugen dieser Gnade sein wie vom Licht dieser Welt. Gott geht vor uns her und er ist auch der letzte, der hinter uns schreitet“, blickte Ilay schließlich seine Frau an, der ebenfalls so etwas wie ein Licht aufzugehen schien. „Ich hatte einen Traum, damals, auf dem Boot“, fuhr er fort, denn er spürte, dass Nourina bald zu mehr bereit sein würde.

Aufmerksam blickte sie ihn an, denn auch sie erkannte, dass dies hier ein sehr wichtiger Moment für sie beide war.

„Da bat mich Gott, dass wir uns ebenfalls um Kinder kümmern, denen es nicht so gut geht, anders als es unseren Kindern gehen wird.“

„Andere Kinder“, pfiff Nourina aus.

„Andere Kinder“, bestätigte Ilay, „obwohl wir immer noch auf unsere eigenen warten.“

„Verstehe“, nickte Nourina und wandte ihr Gesicht von Ilay ab, dem Meer zu, da sie inzwischen durchaus verstanden hatte, dass Gott denen alles und umfänglich schenkte, die sich für andere einsetzten und eben nicht allein auf die Erfüllung ihrer eigenen Bedürfnisse schauten.

So wie sie gerade auf die Wellen, die glitzerten und tanzten, was Nourina immer wieder beruhigte.

„Du kannst das in Ruhe irgendwann entscheiden, okay?“, berührte Ilay seine Frau zärtlich an der Schulter, „es ist nur ein Angebot.“

Im Augenwinkel betrachtete Nourina weiterhin das Meer. Die Wellen, die kamen, und die Wellen, die gingen. Wohin würden sie alle eines Tages gehen, fragte sie sich insgeheim. Und woher würden wohl all diese Kinder kommen, wenn sie Gott dem Höchsten glaubten, der konnte. Wenn sie seine Angebote annehmen würden. Und verstünden, dass er es mit allen seinen Menschenkindern gut meinte. Und dass er ihnen eigene Kinder schenken würde, gerade wenn oder weil sie sich um andere kümmerten.

„Okay, mach ich“, flüsterte Nourina und starrte im Innersten auf ein Land, das gerade in Gold vor ihr aufzutauchen schien.

Vielleicht war das aber auch nur einer dieser unfassbaren Sonnenuntergänge, denen sie beiwohnen konnte, ohne irgendetwas dafür tun zu müssen. Denn wer vor ihr herzog, musste wohl dieser Gott sein, von dem sie sich kein Bild machen konnte, dazu war er einfach viel zu groß. Und auch zu mächtig, wie Nourina wenig später feststellen würde.

„Komm“, flüsterte Ilay schließlich, nachdem Nourina einige Zeit stumm und wie leblos auf der Terrasse verharrt hatte, „lass uns schlafen gehen.“

Nourina nickte dankbar, denn der Tag war schwer für sie gewesen und sie insgesamt sehr müde. Langsam folgte sie Ilay ins Schlafzimmer. Nachdem er sie geküsst und zugedeckt, ihr eine gute Nacht gewünscht und sie als Schönheit betitelt hatte, hörte sie, wie er wieder nach unten lief, offenkundig wollte er noch arbeiten. Aber auch in ihr selbst arbeitete es mächtig, vielleicht, weil Gott gerade sein begonnenes Werk in ihr zu vollenden gedachte. Auch wenn es Nourina erst einmal gruselte, was für menschliche Schichten durch den Höchsten in ihren Tiefen zum Vorschein kamen. Schichten, für die sie sich hätte warm anziehen müssen, sofern sie darauf vorbereitet worden wäre. Doch ihr Unbewusstes oder ihre Seele, so genau konnte sie das nicht ausmachen, schienen etwas ganz anderes mit ihr vorzuhaben. Und das genau jene Nacht, die ihr Ilay kurz zuvor von anderen Kindern gesprochen hatte, obwohl oder gerade weil es ihr immer noch unfassbar vorkam, eigene zu bekommen. Als wehrte ihre Seele oder ihr Innerstes immer noch etwas ab, das für andere ganz natürlich oder leicht zu erreichen war. Was sie schließlich erlangte war eine dieser Tiefschlafphasen, in denen sie in etwas drang, von dem sie im Wachzustand niemals behauptet hätte, es jemals überhaupt gewollt zu haben. Doch offenkundig gehörte auch das zu ihrem Weg, und zwar zu diesem Weg ‚raus‘. Vielleicht musste da noch etwas raus aus ihr selbst oder aus ihrem Selbst, was sie viel zu lange in sich getragen oder zugemauert hatte, um sich nicht umfassend oder tiefer gehend damit beschäftigen zu müssen. Was Gott aber unter Umständen ebenfalls als seinen Teil ansah, denn er war durchaus ein eifersüchtiger Gott. Irgendwo gehörte Nourina ja nun auch zu ihm und damit vielleicht zu einer übergeordneten Perspektive, ohne die sie niemals in diese Tiefe gefunden hätte, die sich kurz darauf in ihr auftat. Wo sich das in ihr breit gemacht hatte, was sie daran hinderte, nach dem zu greifen, was ursprünglich für sie vorgesehen war. Das alles konnte Gott auflösen, sofern sich das Menschenkind mit seinem freien Willen an ihn wandte, um vollkommen frei zu werden. Von all dem Horror, der zumindest Nourinas Leben ausgemacht hatte. In dem sie gefangen gewesen war. Was nur Gott auflösen konnte, der in der Bibel als ein verzehrendes Feuer beschrieben wurde.

Und dann träumte Nourina in der Nacht ihrer Nächte, wie sie brannte und das lichterloh. Und wie sich plötzlich Clemens über sie beugte und ihr zuflüsterte: „Es ist nur Spaß, Nourina, das alles ist einfach nur Spaß.“

Kurz darauf fühlte sie seinen Atem über sich und wie sein Mund dem ihren nahekam, woraufhin er ihr den letzten Kuss gab, den Kuss des Todes, um danach einfach fortzufahren, als sei sein Selbst komplett und umfassend erkaltet: „Du bist nur Spaß, weil ich einfach nur ein wenig Spaß haben will. Du sollst einfach ein bisschen mich und meine körperlichen Bedürfnisse befriedigen und dich mir hingeben, ohne dass ich selbst irgendetwas dafür tun muss, denn ich will nichts dafür tun, sondern einfach nur bekommen. Das, was mir gebührt. Das, was ich ersehne. Ehre. Huldigung. Kniefall. Und das in diesem grenzenlosen Spaß, in dem ich dich mir unterwerfe, wie ein Gott seine Menschenkinder unterwirft. Denn ich habe es nie ernst mit dir oder deinem Leben gemeint. Du warst nie etwas anderes und du wirst auch nie etwas anderes sein als nur Spaß. SPASS“, vernahm Nourina jemanden so dröhnend auflachen, dass es ihr vorkam, als stünde dieser mitten aus der Hölle auf. Aus einer Hölle, in der Nourina ehemals selbst gefangen war. Was nicht einmal nur ein Feuersee war, sondern eine komplette, umfassende und menschenverachtende wie Menschen vernichtende Hölle, in der es nichts als brannte. Ein Reich der Finsternis, ein Reich des Todes, was nichts anderes als der biblische Hades war, in dem sie zeitlebens mangels einer Alternative gewandelt war. Was ihr Gott gerade vorzuhalten schien wie Fluch oder Segen. Und schon hörte sie wieder nur Clemens Stimme: „Ich wollte mich und mein Adrenalin einfach an dir abreagieren.“

Worte, die Nourina ebenfalls wie Wellen trafen, nur eben wie sehr dunkle und sehr ausweglose Wellen.

„Weil ich mich selbst geil finden wollte“, hörte Nourina, was in ihren Ohren nicht sehr schön klang. „Weil ich geil bin, unabhängig davon, wie die Welt mich findet, die mir nicht huldigt, sondern mir die Ehre vorenthält, die mir eigentlich gebührt“, atmete Clemens deutlich aus. „Aber du, Nourina, wirst mir huldigen, wie all die kleinen Mädchen und Kinder Gottes, mit denen ich mache, was immer ich will und wie auch immer es mir gefällt. Nur um Gott selbst zu zeigen, was ich kann und zu was ich fähig bin: Seine Erstgeburt bewusstlos und zu Tode zu bringen, um Gott selbst und damit alle seine Kinder zu richten und zu strafen. Diesen bösartigen Gott, wie auch seine Kinder, die nicht die meinen sind, selbst wenn er mir diese auf Erden anvertraut hat. Denn Gott kann gar nix, weil ich mich jetzt auf diesen Thron setze, und der heißt Tod. Denn ich kann das nehmen, wem auch immer ich es wegnehmen will: Leben, und damit Überfluss an Gutem und Schönen. Weil ich selbst Leben durch meine gnadenlose Gewalt strafen kann, wann und wie ich das will“, stieß Clemens derart dröhnend aus, dass Nourina war, als spucke sie jemand geradewegs aus einem brennenden Rachen aus.

Mitten aus dem Rachen eines Drachen, so flackerte es plötzlich vor Nourina auf, was ihr auf Erden vielleicht auch diese entsetzlichen und unfassbaren Schmerzen beschert hatte. Und dann sah sie sich selbst in diesem Blut- und Todesrausch, wie sie sich wand und windete, einer Schlange ähnlich, die der Drache war, der Satan, den Jesus hatte aus dem Himmel herabfallen sehen. Kurz darauf war ihr, als liege sie in einer Blutlache, in die Clemens sie wieder und immer wieder stieß, vollkommen von seiner eigenen Macht und Herrlichkeit berauscht.

Daraufhin sah Nourina, wie Gott einst einen Engel aus Licht gebildet hatte und zu jenem sprach: „Du warst das vollendete Siegel, voller Weisheit und vollkommen an Schönheit, du warst in Eden, dem Garten Gottes; aus Edelsteinen jeder Art war deine Decke; Karneol, Topas und Jaspis, Türkis, Onyx und Nephrit, Saphir, Rubin und Smaragd; und Arbeit in Gold waren deine Ohrringe und deine Perlen an dir; am Tag, als du geschaffen wurdest, wurden sie bereitet. Du warst ein mit ausgebreiteten Flügeln schirmender Cherub, und ich hatte dich dazu gemacht, du warst auf Gottes heiligem Berg, mitten unter feurigen Steinen gingst du einher. Vollkommen warst du in deinen Wegen von dem Tag an, als du geschaffen wurdest, bis sich Unrecht an dir fand. Durch die Menge deines Handels fülltest du dein Inneres mit Gewalttat und sündigtest. Und ich verstieß dich vom Berg Gottes und trieb dich ins Verderben, du schimmernder Cherub, aus der Mitte der feurigen Steine. Dein Herz wollte hoch hinaus wegen deiner Schönheit, du hast deine Weisheit zunichte gemacht um deines Glanzes willen. Ich habe dich zu Boden geworfen, habe dich vor Königen dahingegeben, damit sie ihre Lust an dir sehen. Durch die Menge deiner Sünden, in der Unredlichkeit deines Handels, hast du deine Heiligtümer entweiht. Darum habe ich aus deiner Mitte ein Feuer ausgehen lassen, das hat dich verzehrt, und ich habe dich zu Asche auf der Erde gemacht vor den Augen aller, die dich sehen. Alle, die dich kennen unter den Völkern, entsetzen sich über dich; ein Schrecken bist du geworden und bist dahin auf ewig!“

Und dann verstand Nourina, warum dieser Engel so wütend auf Gott und dessen Kinder war: Weil er selbst verstoßen worden war und weil Gott die Menschen auch noch in seinem eigenen Ebenbild geschaffen hatte. Und nun tat der Verstoßene das allen an, die Gott nicht als guten Vater kennengelernt hatten, um als Vater der Lüge alles ins Gegenteil zu verkehren, was Gott für gut befunden und geplant hatte.

Plötzlich wurde es in und um Nourina herum so dunkel, dass sie Clemens fast nicht mehr erkannte, der mit seiner einnehmenden Lust in sie hinein stieß, um jeden noch verbliebenen Funken Leben in ihr für immer zu vernichten.

In seinem Gebaren erniedrigte er alles, was ihm irgendwie nahekam, was eine Form von Hurerei war, vor der Gott die Menschenkinder immer wieder gewarnt und gesagt hatte, dass sie in diesem Gemisch nichts als Tod finden würden. Und wieder hörte Nourina in der Finsternis wie ein Echo: „Ich wollte meinen Spaß mit dir, ich wollte nur meinen Spaß mit dir, denn ich wollte mich an dir verherrlichen, da mich meine Mutter niemals gestillt, befriedigt oder getröstet hat wie auch sonst keine Frau jemals auf Erden. Wofür du jetzt herhalten musst, wie all die anderen, an denen ich mich vergehe, in meinem eigenen Erfolgs- und Machtrausch, dass ich kann, was niemand sonst kann, nicht einmal dieser Gott, an den sowieso nur Idioten glauben, weil die zu blöd sind, das Offensichtliche zu sehen. Und das ist Entsetzen, in das der Mensch die Welt verkehrt, wie ich dein Leben in Entsetzen verkehren werde, nicht anders als es mir selbst ergangen ist. Aber durch dich soll das jetzt von mir weichen, denn wenn du das erleiden und ertragen musst, muss ich das nicht mehr tun. Das ist Hurerei und das ist Sklaverei, durch was ich mein Selbst und mein Selbstwertgefühl stabilisiere, wozu ich dich und die anderen einfach nur nutze. Was ja auch so einfach ist, weil so viele entweder gleich wegsehen oder es im staatlichen Schutz gewähren lassen, ob innerhalb rechtsstaatlicher Gesetze oder einfach nur durch Korruption, mir ist das sowieso egal“, lachte der in Finsternis Wandelnde so dröhnend in Nourinas Ohren auf, dass ihr vollends schwindelig wurde.

Während vor Nourinas Augen alles schwankte, sah sie, wie auch die Erde unter so viel Hass, Wut und Gnadenlosigkeit wankte, was nur ein Tier oder eine Gestalt wie ein Tier hervorbringen konnte oder jemand, der allein seinen Instinkten folgte, nicht aber den Worten eines Höheren. Das erinnerte Nourina schmerzlich an König Nebukadnezar II., der wie ein Tier gehaust hatte und dessen babylonisches Reich zerfallen war. Wie hoffentlich alle diese gnadenlosen Reiche eines Tages vergehen und zu Schall und Rauch werden würden, dachte Nourina. Ähnlich wie in dem Song, den sie mit Clemens so gerne gehört und dazu auch noch ausgelassen getanzt hatte: Zu Asche, zu Staub. Und das jetzt. In genau dem Augenblick sah und fühlte sie es. All die Schmach und Schande, die er über sie brachte. Der seinen eigenen Dreck einfach in sie hineinleitete, um sie mit dem anzufüllen, mit was er angefüllt war. Um ihr das zu geben, was ihm gegeben worden war. Weil er den Lügen der Welt mehr geglaubt hatte als Gott selbst. Weil er letztlich dem Widersacher auf den Leim gegangen war, auch wenn der süß wie Honig schmeckte. Als Clemens ihr gegenüber das tat, was der Engel der Finsternis allen antat, da er nie die Größe Gottes auch nur annähernd erreicht hatte, brach in Nourina etwas entzwei, was sie hätte zu keinem Zeitpunkt wem auch immer schildern können. In den Tiefen ihrer Tiefen musste Nourina mit ansehen, dass sie das alles selbst mitgemacht hatte. Als er sie zerstach und auseinander faltete wie einen Schmetterling, dem man die Flügel stutzte, kam es ihr so vor, als tue er das ganz offenkundig zu Recht. Bei lebendigem Leibe flog sie auseinander und damit das, was ihre Integrität einst ausgemacht hatte. Jede Hoffnung auf Linderung zerplatzte an der Gnadenlosigkeit des Geschehens wie jede Hoffnung auf Rettung durch die Wiederholungen, die ihr suggerierten, Teil des Entsetzlichen zu sein und es möglichst selbst gewollt zu haben, sonst würde alles noch viel weniger Sinn machen. Was alles Lügen waren, die Menschen mit Gott aufdecken und ihn bitten konnten, das Erlebte fortzunehmen, die Einzelteile liebevoll zusammenzusetzen, die Wunden mit Öl auszuwaschen und Jesu Blut zur Sühnung zu geben. In diesem schrecklichen Moment verstand Nourina, dass die Konsequenz von jeder Sünde, welche es auch war, ob klein oder groß, Tod mit sich brachte, dem sie sich hilflos ausgeliefert fühlte. Und das alles bei lebendigem Leibe, ohne dass die Handlanger der Schlange jemals angemessen gerichtet worden wären. Denn die, denen das angetan wurde, unterlagen immerhin einer fortwährenden, also lebenslangen und täglich vollzogenen Strafe, indem sie eben nicht mehr aus dieser Hölle herausfanden, in die andere sie gestoßen hatten. Hölle hieß für Nourina in diesem Augenblick, den sie dem Widersacher geradewegs ins Gesicht blickte, nichts anderes als offenkundige Gottlosigkeit. Ein Ort fern von Gott, obwohl der das wohl ebenfalls alles mit ansehen musste oder es aus welchen Gründen auch immer tat. Immerhin ging es um den einzigartigen Gott, an den Nourina inzwischen zutiefst glaubte, auch wenn der Großteil der Menschheit das alles für etwas Absurdes hielt und ihr Leid dadurch kaum anerkannte. Von was sie aber ahnte, dass es jenen irgendwann würde ähnlich geschehen können, sollte der Christus ernsthaft sein Reich aufbauen. Diese Hölle könnte dann für jene, die im Sinne des Widersachers agierte und lebten, irgendwann ebenfalls wie eine täglich vollzogene und lebenslange Strafe sein, ohne dass diese dann von dort noch herausfinden würden. Das Feuer, von dem sie fand, es lodere gerade in ihr selbst auf, könnte zu dem Feuersee werden, von dem die Bibel oder Christen sprachen, was Nourina in diesen grauenhaften Flammen vor ihren Augen gar nicht mehr trennen konnten, da sich diese derart reißend in ihr anfühlten, als gebäre sie selbst nichts anderes mehr als Unglauben in Form von unzähligen Totgeburten.

Und dann stand er plötzlich deutlich vor ihr, der Menschgott in Weiß, der sich in ihrer Blutlache über sie beugte, mitten in ihren Todeskrampf hinein, und zu ihr sagte, zu nichts anderem als ihrem zerbrochenen und zerborstenen Inneren: „Ich habe das niemals für dich gewollt. Das habe ich niemals für dich vorgesehen. Das ging auch niemals von mir aus. Aber diese Menschenkinder gehen von mir aus, die ich selbst geschaffen habe, warum es mir auch so weh tut und es mich so gereut, dass sie dir das antun. Darum wird es auch mein Gericht geben, denn das hast du nicht verdient. Das hat niemand verdient. Du hast Liebe und Barmherzigkeit verdient, Gnade und Reichtum durch Leben, nicht aber Tod durch Sünde und Beherrschung. Denn ich beherrsche niemanden, und ich möchte auch nicht, dass ihr beherrscht werdet, von wem oder von was auch immer. Wie ich ebenfalls nicht will, dass du an den Straßen wie verendet liegst, oder dir jemand das antut, was wie Wüste ist, ohne dass ich dich dorthin geschickt hätte. Darum sollst du da jetzt auch ganz rauskommen, denn ich selbst will dich retten. Ich will alle deine Wunden heilen. Und nicht nur deine, sondern auch die von all den anderen, die du mit deiner kräftigen Stimme rufen wirst aufzustehen, auf dass sie auferstehen in mir und in meiner Gnade, in meiner Barmherzigkeit und in meiner Liebe. Denn ich habe dir nicht den Geist der Furcht gegeben, sondern der Kraft und der Liebe. Ich selbst werde dich jetzt leiten und ich werde dich trösten wie eine Mutter sein Kind tröstet. Das alles geht wahrlich nicht von mir aus. Das habe ich niemals für dich geplant wie für niemanden jemals. Denn all das habe ich umfassend selbst am Kreuz erlitten und für dich schon längst getragen, auf dass du Leben haben sollst, und das vollkommen in mir, also ohne jegliche Schmerzen, welche auch immer es sind, denn in mir sind wahrlich alle deine Wunden geheilt.“

„Aber warum lässt du das alles zu?“, schrie ihm Nourina wie eine Gebärende entgegen, der man anstelle eines Ungeborenen ihre Gedärme heraus zu schneiden schien.

Trauma, wurde Nourina schlagartig bewusst. Ihr Trauma, das Millionen Menschen auf Erden mit ihr teilten. Was dennoch unteilbar war, da es jeden von ihnen einfach zu grausam, zu brutal und zu gnadenlos traf. Als würde Nourina dadurch in eine Ewigkeit katapultiert, die sie sich nicht ausgesucht hatte, zumindest nicht bei lebendigem Leibe. Und von Bewusstsein konnte angesichts dieser Gewalt, dieser Schmerzen und Exzesse eines anderen schon mal überhaupt keine Rede sein.

„Du bist in deinem Innersten, in deinem kompletten Trauma angekommen“, erschien ihr der Christus in seiner Gestalt immer deutlicher, was Nourina in diesem Moment aber auch keine wirkliche Linderung brachte.

Eher war ihr, als zerbreche alles in ihr und damit ihr gesamtes Leben oder Innerstes vollkommen. Als könne das mit absolut nichts jemals wieder aufgewogen werden, woraufhin   Nourina nichts anderes als Ströme von Blut fließen sah. Blutströme aus ihr heraus,  Blutströme von einem Kreuz und Blutströme von einem sehr dunklen Thron, so erschien es zumindest ihr. Nichts als Blut benetzte ihre Augen, ihren Mund, ihren Körper, ihre Zellen und ihre Seele.

„Das ist der Satan, der der Teufel ist“, hörte sie, „an den kaum noch jemand glauben will, der aber jeden nutzt, der nichts als sein eigenes Vergnügen sucht, mit wem oder durch was auch immer. Und das einzig und allein, um in seiner Wut auf uns alles zu zertrümmern, zu schlachten, zu stehlen und zu zerstören. Leben. Das Leben, das immerhin wir euch gegeben und geschenkt haben.“

Nach diesen Worten sah die jung gebliebene Frau endlich Ströme lebendigen Wassers von einem anderen Thron herabkommen und wie diese mitten in sie hineinfließen. Daraufhin schaffte es Nourina in diesem Alptraum endlich, „Stopp Satan“ zu sagen, „du Widerling und Widersacher Gottes, woh, halt inne, denn ich bin befreit und frei in Jesus Christus, der dieses Höllenfeuer und die damit einhergehenden Schmerzen am Kreuz längst getragen und dich genau dort gerichtet hat. Und jetzt kannst du mir wie auch all diesen Kindern gar nichts mehr, denn ich werde jetzt aufstehen und für diese Menschen eintreten, die überhaupt nichts mehr haben, nicht einmal mehr ihre eigene Stimme, was mit einem freien Willen überhaupt nichts zu tun hat, da du sie ja innerlich wie äußerlich in dunkle Kerker sperrst, in die gar nichts mehr kommt, nicht einmal ein einziger Lichtstrahl Hoffnung. Aber du, Engel des Lichts, der du dich als Gott ausgibst, bist nichts, du bist Schall und Rauch. Du bist Asche und du wirst ins Feuer geworfen werden, von Gott selbst, wenn Gott dich endgültig richten wird, weil ihn das alles schmerzt und auch gereut. Dann wirst du noch tiefer fallen als ohnehin schon, du Gegenspieler des Allmächtigen. Du selbst wirst so tief fallen, wie wir Menschenkinder dachten, denen du das alles angetan hast, jemals gefallen zu sein. Aber das sind nicht wir, das bist nur du“, stieß Nourina mit all ihrer verbliebenen Kraft aus und hatte dennoch das Gefühl, von einem Weinkrampf fortgeschwemmt zu werden.

Zumindest von einem Krampf, den sie Jesus bat, ganz von ihr zu nehmen, was der Fluch des Todes war. Am Kreuz war dieser Fluch des ersten Menschen Adam durch den letzten Menschen Jesus am Kreuz aufgehoben worden, denn immerhin war Jesus der Anfang und das Ende von allem. Irgendwie wurde Nourina bewusst, dass sie, behaftet mit dem Fluch des Todes, nicht wirklich etwas hätte ausrichten können. Nicht einmal anderen vermitteln, dass es einen Weg raus gab, der der Christus war: Der Weg, die Wahrheit und das Leben. Durch den sie selbst, mit ihrem eigenen Willen, endgültig Leben wählte. In dem Moment, als sie verstand, dass da mehr für sie war, sah sie es erst einmal um sich herum brennen, was aber ganz gut war, denn nun brannte es nicht mehr so schmerzhaft in ihr selbst. Dafür stand Babylon in Flammen, ein Bordell brannte und schließlich die Frau in Scharlachrot, die Hure Gottlosigkeit, die in der Offenbarung beschrieben wurde. Als die Flammen immer höher schlugen war Nourina klar, dass sie niemals, aber auch wirklich niemals in diesen Feuersee geworfen werden wollte. Also wandte sie sich an den Christus, reichte ihm ihre Hand, blickte ihm in die Augen, die ebenfalls wie Feuer aussahen und sprach: „Ich hätte das alles niemals für möglich gehalten, doch nun habe ich es am eigenen Leib erfahren. Es gibt das Feuer der Gottlosigkeit und es gibt dein Feuer, das alles verzehrt, was sich gegen dich stellt.“

Danach wurde es abrupt still um die junge Frau herum, woraufhin sie ein Schild sah, auf dem geschrieben stand: „Der Krieg ist zu Ende“, was Nourina an den 8. Mai erinnerte, den sie in Berlin gefeiert hatten. Die Stunde Null für Deutschland, als andere Weltmächte die deutsche Nation besiegt hatten und diese komplett kapitulierte, was hieß umfassend, umfänglich, weiße Fahne und im Grundgesetz verankert: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Doch schon kurz darauf sah Nourina, wie Wesen aus dieser deutschen Asche aufstanden, als erstünden sie neu auf, mitten aus dieser Hölle heraus, die sie soeben durch den Christus verlassen hatte. Die Wesen sahen nicht gut aus, waren komplett schwarz, trugen Stahlhelme und marschierten im Gleichschritt, was die Welt ebenfalls erzittern ließ. Bis am Horizont ein anderes Heer aufzog, das in Licht gekleidet war und ein zutiefst zu Herzen gehendes Lied sang. Daraufhin sah Nourina, wie sieben Schalen mit sieben Plagen ausgekippt wurden, was für sie aber nur wie die Ablösung von etwas Entsetzlichem wirkte. Daran schloss sich eine Siegesfeier an, bei der jene, die gesungen hatten, Siegeskränze überreicht bekamen, von was ihr Ilay schon gesprochen  hatte. Währenddessen beugte sich der Mann in Weiß über sie und sagte: „Ich komme nie zu spät und ich komme bald. Mach dich bereit, denn die Welt wird erschüttert werden, was mit unseren Zeichen vom Himmel einhergehen wird, die kein Sterndeuter oder Wahrsager jemals wird entschlüsseln können, nur jene, die mit meinem Geist verbunden sind, werden es recht deuten und der Welt kundtun.“

Daraufhin spürte Nourina, wie der Todeskrampf von ihr ließ, sie sich langsam entspannte  und immer mehr in sich selbst fühlen und erspüren konnte, dass sie bereit war, Leben zu spenden und Leben zu gebären. Tod aber würde sie nicht mehr gebären oder hervorbringen, denn von dem hatte sie der Christus deutlich getrennt wie von allen Menschen, die Worte des Todes, des Misserfolgs, des Misslingen und des Missgeschicks über ihr ausgesprochen hatten, ähnlich Wahrsagern, die einer Kraft huldigten, die durch Zauberei und Hexerei Einfluss auf Menschen und Kinder ausübte. Die Welt war voll davon, auch durch Filme, ganz besonders Kinderfilme, die in dieser Kraft Flüche lehrten, was Nourina nur kurz schüttelte, denn irgendwo wusste sie, dass auch das eines Tages ein Ende haben würde. Vermutlich würde sie mit ihrem Mann auch dagegen angehen, indem sie Menschen zeigten oder schlicht davon berichteten, wie anders Leben war. Und das in Fülle. In einem Glanz, der golden war. Der in den herrlichsten Farben schillerte. Der nach diesem letzten Tod wieder lebendig geworden war: Jesus Christus. Warum diese Kraft in Herrlichkeit auch die Macht hatte, sie selbst wieder lebendig zu machen, nachdem sie durch das Grauen anderer wie leblos geworden war oder sich Tod zumindest gefügt hatte. Dem Dunklen, der nicht von Nourina gelassen hatte, nun aber für immer in ihr aufgelöst wurde: Durch den Christus, Gottes eingeborenen Sohn, der die Menschen wieder mit Gott verband, sodass die Menschenkinder nicht mehr geistlich tot waren, sondern zurück zu ewigem Leben fanden. In diesem Moment hauchte der Christus sie erneut mit seinem Atem an, woraufhin sie umgehend erwachte und das Gefühl hatte, mit nichts als Leben geduscht zu werden. In dem Augenblick verstand Nourina auch, dass der Heilige Geist Gottes nun in ihr war und nichts und niemand sie jemals wieder würde von Gott selbst trennen können. Eingetaucht in dieses wohlige Gefühl schaffte es Nourina endlich, ganz loszulassen. Alles. Ihre Vergangenheit, ihre Schmerzen, ihre Zweifel und ihren Unglauben. Anstatt immer und immer wieder zu hören, „Du bist nur Spaß, Nourina“, vernahm sie nun die Stimme Gottes, der wiederholte und wiederholte: „Wir haben dich erschaffen, wir haben dich in unserem Ebenbild geschaffen.“

Auszüge aus ALLEN Geschichten

Kapitel I des Romans Sommerröte von Isabelle Dreher

Als die Flut kam

Joa hatte es ihr beigebracht: nicht zu verurteilen. Niemanden. Auch sich selbst nicht. Er führte sie an Orte, die sie ohne ihn nie gefunden hätte. Orte in ihrem Inneren, zu denen die Türen Zeit ihres Lebens verschlossen gewesen waren.

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Kapitel Streifen der Zerrissenheit Roman Sommerröte von Isabelle Dreher

Streifen der Zerrissenheit

Ohne es zu wollen, blickte Ceija auf die Wundmale des Mannes, der am Kreuz hing. Er war aus Holz und sah nicht gut aus. Eigentlich hatte sie sich nur eine kleine Auszeit von dem Geräuschpegel im Zelt, nehmen wollen den

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Kapitel In der Finsternis Roman Sommerröte von Isabelle Dreher

In der Finsternis

Lissy kniete auf dem Boden und dachte an ihren Pokal. Sie sehnte sich nach einem menschlichen Geräusch, nach einer menschlichen Stimme, die Gutes zu ihr sprach. Doch da war nichts als das kalte Echo der Mauern, das nackte Grauen vollkommener

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Kapitel Du musst für Gerechtigkeit sorgen Roman Sommerröte von Isabelle Dreher

Du musst für Gerechtigkeit sorgen

Joshua kam nach einer kräftezehrenden Nacht um zehn Uhr morgens in einem Staat an, der Religionsfreiheit im Grundgesetz verankert hatte. Da er eine Kippa trug, die hierzulande wohl selten zu sehen war, freute er sich, in Berlin Frauen mit Kopftüchern

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Kapitel Liebe und Gleichgültigkeit

Liebe und Gleichgültigkeit

Samstagabend hatte Helena alle zu einem Festessen geladen, von dem sie sich auch versprach, dass Max auf die ein oder andere Weise mit dem Wachstum ihrer Familie fortan klarkommen, wenn nicht gar Frieden schließen würde.

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Kapitel Im Zeichen der Selbstverherrlichung Roman von Isabelle Dreher

Im Zeichen der Selbstverherrlichung

„Sehen Sie“, begann Frau Kalkstein.
Helena, die wirklich gut zuhören wollte, blickte auf den Mund der Frau und war einige Zeit damit beschäftigt, zu überlegen, woran sie dieses ‚Sehen Sie‘ erinnerte.

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Kapitel Ungezählte Destinationen Roman Winterfachen von Isabelle Dreher

Ungezählte Destinationen

„Einer hat mehrere Menschen mit Migrationshintergrund umgebracht und dann sich selbst“, informierte Nourina ihr Gegenüber, das neben ihr saß und konzentriert die Wirtschaftsmeldungen der vergangenen Stunden durchging.

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Kapitel Mit Leben getauft Roman Winterfachen von Isabelle Dreher

Mit Leben getauft

Als sie erwachte, musste Nourina so fürchterlich husten, dass ihr war, als bekomme sie keine Luft mehr. Nachdem sie sich aufgerichtet hatte und wieder atmen konnte, blickte sie sich in ihrem Schlafzimmer um und dachte darüber nach, was sie alles

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Kapitel In einem anderen Reich GoldenTor

Ich bin anders

Reglos stand das Mädchen vor der Müllkippe. Mit geschlossenen Augen nahm es den Geruch von Abfall, Verwesung und Eisen wahr. Wie ein Brechmittel kam ihr das vor.

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Kapitel Das Buch deines Lebens GoldenTor-Geschichte von Isabelle Dreher

Das Buch deines Lebens

„Ist das Eden?“, fragte Toni, als sie mit ihm durch das herrliche Tor schritt.
„Weißt du denn wo Eden liegt?“, fragte Jeschua lächelnd, der sie sicheren Schrittes nach drüben geleitete.

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GoldenTor-Geschichte Bei uns gelten andere Gesetze

Bei uns gelten andere Gesetze

„Du wirst leben und du wirst Leben im Überfluss haben“, hörte Toni Jeschua sagen, der noch immer hinter ihr stand und seine Hände wieder auf ihre Schultern gelegt hatte. Toni fühlte, wie Kraft von Jeschua ausging und etwas von ihm

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Kapitel Steigt herauf GoldenTor-Geschichte von Isabelle Dreher

Steigt herauf

Ephania Lopez war ganz Gastgeberin und begrüßte allesamt herzlich. Es waren etwa dreißig Kinder gekommen, über die die Direktorin vorher schon mit den Dreien gesprochen hatte.

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Kapitel Wie eine Wand GoldenTor-Geschichte von Isabelle Dreher

Wie eine Wand

Nachdem Toni eine Zeitlang im Ferieninternat gewesen war, wo sie vieles gelernt und auch Gott Vater, seinen Sohn Jeschua und den Heiligen Geist Ruach besser kennengelernt hatte, kehrte sie zurück ins Schloss, wo sie neben ihrer Freundin Alisha lebte.

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Kapitel Wieder vereint GoldenTor-Geschichte von Isabelle Dreher

Wieder vereint

Alisha und Ramon blickten sich erstaunt an und folgten dann Jeschua und Ruach. Toni blieb etwas ratlos zurück. Nach allem traute sie sich kaum zu fragen: Und was ist mit mir? Ihr Herz machte solch einen Lärm, den Gott Vater

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Kapitel Macht euch bereit

Macht euch bereit

Als Toni am nächsten Morgen in ihrem Zimmer im Schloss aufwachte fühlte sie, dass etwas tief in ihr wieder ganz war. Sie freute sich auf das Frühstück, auch wenn sie ihre Freunde aus dem Ferieninternat vermisste. Dafür war Alisha da.

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GoldenTor-Geschichte In einer Zeit wie diese

Die goldene Stadt

Nachdem Toni die Zeit ganz verloren hatte, nahm sie lichtdurchflutete Engel zu beiden Seiten des Weges und an den Seiten zum Eingangstor wahr. Darüber war eine goldene Tafel angebracht und auf der stand ‚Jeru Schalim‘, was so viel hieß wie

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Kapitel An einem verborgenen Ort GoldenTor-Geschichte von Isabelle Dreher

An einem verborgenen Ort

Nach einem ereignisreichen Abend wachte Toni gut gelaunt in ihrem Zimmer im Schloss auf. Mit Jeschua, ihren FreundInnen aus dem Internat und Alisha, ihrer Zimmernachbarin, wollte sie eine Band gründen.

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Kapitel Siehe ich mache Neues GoldenTor-Geschichte von Isabelle Dreher

Siehe, ich mache Neues

Wie geduscht wachte Toni am kommenden Morgen auf und fand sich dem gegenüber, der sie wie eine Pflanze bewässerte.
„Wunder“, strahlte sie Jeschua an, „du tust Wunder über Wunder.“
„Nun bist du kein Waisenkind mehr“, strahlte der Strahlende

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