Kapitel Macht euch bereit GoldenTor-Geschichte von Isabelle Dreher

Macht euch bereit – In einer Zeit wie diese

Als Toni am nächsten Morgen in ihrem Zimmer im Schloss aufwachte fühlte sie, dass etwas tief in ihr wieder ganz war. Sie freute sich auf das Frühstück, auch wenn sie ihre Freunde aus dem Ferieninternat vermisste. Dafür war Alisha da.

„Das war was gestern, oder?“, begrüßte Toni das Mädchen, neben dem es Platz nahm und nach Ramon Ausschau hielt.

„Er wohnt hier nicht“, antwortete Alisha, als hätte sie Tonis Gedanken gelesen.

„Aber warum war er denn so oft bei uns?“, fragte Toni und blickte immer noch suchend umher.

„Er war ja nur für deine Party da“, lächelte Alisha.

„Also Jungens schlafen drüben in dem anderen Anwesen und wir Mädchen hier?“, fragte Toni und schaute Alisha an.

„Genau“, antwortete diese und schob sich ein Stück Croissant in den Mund.

„Oh, darauf hab ich auch Lust“, lachte Toni und lief zum Buffet, wo alles war, was man sich nur wünschen konnte.

Als sie wieder neben Alisha saß, musterte Toni diese und fragte: „Geht es dir jetzt besser nach gestern?“

Alisha kaute immer noch genüsslich und nickte, wobei sie Toni tief in die Augen blickte. Ehrlich war das, fand Toni. Alisha sah sie. Für Alisha war Toni so, wie sie gerade war. Das fühlte sich anders an als bei manchen, die durch Toni so etwas wie hindurch geblickt hatten, ohne sie richtig angesehen oder wirklich gesehen zu haben.

„Hast du denn gut geschlafen?“, fragte Toni und biss ein Stück des Croissants ab, das noch warm war. „Köstlich“, murmelte sie und verdrehte die Augen, was Alisha zum Lachen brachte.

„Das habe ich“, lächelte Alisha.

„Aber warum leben hier denn nur Mädchen und in dem anderen Haus nur Jungs?“, begann Toni nach einer Weile erneut und sah ihre Freundin aufmerksam an.

„Damit wir ganz ungestört sind“, antwortete Alisha und blickte im Speisesaal umher. „Wir sind halt alle unterschiedlich geprägt“, erklärte sie und kaute zu Ende.

„Schade“, murmelte Toni. „Im Internat war es auch darum so schön, weil wir da alle zusammen sein konnten, also Jungs und Mädchen. Warst du denn auch schon im Internat?“, fragte Toni.

Alisha schüttelte den Kopf und schob sich ein weiteres Stück Croissant in den Mund.

„Warum?“, fragte Toni lächelnd.

„Weil“, schmunzelte Alisha, die allzu sehr den Morgen genoss.

Ganz offensichtlich wusste sie es nicht. Das würde etwas sein, was Toni die Drei als Nächstes fragen würde. Warum sie in welchen Häusern waren und warum Jungs und Mädchen getrennt voneinander lebten, was Toni sehr langweilig fand. Mit Jungs war es doch viel aufregender.

„Du sollst dich entspannen“, sagte Alisha plötzlich und sah Toni aufmerksam an. „Jungs lenken nur ab“, murmelte sie und widmete sich wieder ganz ihrem Frühstück, während Toni im Saal umherblickte.

Sie kannte hier niemanden, fiel Toni plötzlich auf. Und sie würde Zeit brauchen, sich selbst kennenzulernen. So, wie sie geschaffen worden war. Was sie wollte. Sie wollte sich und sie wollte die anderen Kinder kennenlernen, die ebenfalls für eine Zeit wie diese geschaffen worden waren. Und dann blickte sie hinaus und es kam ihr vor wie ein Meer, und dann sah sie Ephania Lopez vor sich, die Direktorin, und dann wünschte sich Toni im Herzen, sich mit ihr zu unterhalten und sie wieder zu treffen. Schließlich war die Party dort oben, wohin die Direktorin sie mitgenommen hatte, eines der schönsten Feste gewesen, das sie jemals erlebt hatte. Und wie in einem Märchen schien hier all das wahr zu werden, was sich Toni wirklich wünschte. Hier oben. Inmitten der anderen, aber unter der Herrschaft der Drei. Nicht Tonis Wille würde geschehen, sondern der Wille der Drei. So wie die das für sie alle hier und für alle ihre Kinder vorgesehen hatten. Als Alisha aufstand und Toni einen herrlichen Tag wünschte, trat Ephania Lopez auf Toni zu und sagte: „Du wolltest mich sprechen?“

Erst einmal verschlug es Toni die Sprache.

„Ich, ähm“, stammelte Toni, die ihr Croissant noch nicht ganz zu Ende genossen hatte, „ja schon“ und musste augenblicklich lachen, denn all das hier oben überstieg immer noch ihren Verstand.

„Wollen wir ein wenig spazieren gehen?“, fragte die Direktorin, die Toni sehr strahlend vorkam, sodass sie nicht genau wusste, ob sie die nicht auch so verschwommen wahrnahm wie Gott Vater so oft.

„Ich bin nicht anders als du“, lachte die Direktorin hell auf und warf ihre prächtigen blonden Haare in den Nacken, die wie Gold schimmerten.

Daraufhin blickte die Direktorin Toni ähnlich liebevoll an, wie die es nur von den Dreien kannte.

„Spazieren“, murmelte Toni, schob ihren Stuhl zurück, stand auf und folgte der Direktorin nach draußen.

„Herrlicher Tag, nicht wahr?“, begann Ephania Lopez und musterte das Kind, das ihr schüchtern folgte. „Was wolltest du denn mit mir besprechen?“, fragte die Frau, deren Alter Toni nicht schätzen konnte.

„Warum sind hier nur Mädchen und in dem anderen Schloss nur Jungs?“, begann Toni unumwunden, wie es ihre Art war.

Direkt und ohne weiter darüber nachzudenken, was sie sagte oder fragte. Es brannte einfach in ihr. Toni wollte Antworten hier oben. Sie wollte verstehen. Und das mit weit aufgerissenen Augen, mit denen sie die Direktorin anblickte, die wiederum Toni so tief in die Augen sah, dass es Toni vorkam, als blicke sie in ein Meer. In ein tiefes, schönes, herrliches, aber auch unergründliches Meer. Wenn Toni etwas liebte, dann war das, am Meer Urlaub zu machen. Was sie sich jedes Jahr gewünscht hatte und was sich ihre Familie selten hatte leisten können. Oder wollen.

„Ihr seid alle unterschiedlich geschaffen worden“, begann Ephania Lopez und musterte Toni, die immer noch nicht verstanden hatte, für was genau sie geschaffen worden war.

Oder warum überhaupt. Warum gab es sie, Toni Königskind. Hier waren doch so viele andere Kinder, warum sollte ausgerechnet sie dazugehören?

„Warum bin ich denn geschaffen worden?“, fragte Toni und fühlte tief in ihrem Herzen einen wie durchbohrenden Schmerz.

Ephania Lopez blickte das Mädchen an, bis sie deren Schmerz in sich selbst spüren konnte. Mit diesem Blick – des Einvernehmens – sah die Direktorin das Kind an, das am liebsten auf sein Zimmer gelaufen wäre, um ungestört zu sein. Allein zu sein. Eben doch noch so, wie all die Jahre zuvor. Immer allein gelassen. Immer nicht würdig genug, mit anderen zu sein. Teil einer Gemeinschaft zu sein. Was Toni entweder verwehrt geblieben war oder was sie sich aufgrund des Horrors, den sie erlebt hatte, selbst verwehrt hatte.

„Toni-Schatz“, fragte die Direktorin, „was ist denn im Moment dein größter Schmerz?“

Bei dieser Frage setzte Tonis Herzschlag aus.

„Mich selbst damals verraten zu haben“, flüsterte Toni schließlich und merkte, wie ihr das Croissant hochkam.

„Zeit für‘s Nachrichtenzimmer?“, fragte Ephania Lopez sanft.

Toni nickte.

Plötzlich wurde es schwarz um Toni herum. Sie fühlte nur, wie die Frau sie dorthin begleitete, wo sie normalerweise sehen konnte. Nur diesmal nicht. Diesmal kam sich Toni wie blind vor. Als hätte sie einen Balken vor ihrem Kopf oder vor ihren Augen. Oder auf ihrer Brust. So genau konnte Toni das alles nicht mehr unterscheiden.

„Es tut mir so leid“, hörte Toni Gott Vaters Stimme schließlich.

Sie mussten offenkundig im Nachrichtenzimmer angekommen sein.

„Es tut so weh“, murmelte Toni, der war, als rinne Blut aus sämtlichen Körperstellen heraus.

„Deine Wunden sind in meinen Wunden gesichert“, hörte Toni Jeschuas Stimme wie von weitem.

So weit entfernt, wie sie sich doch noch von sich selbst entfremdet vorkam.

„Ich fühle plötzlich nur noch Schmerzen“, flüsterte Toni und öffnete ihre Augen, um nicht ohnmächtig zu werden.

Dann sah sie Gott Vater, Jeschua und Ruach vor sich. Etwas weiter entfernt stand Ephania Lopez, vor der ihr das alles eher peinlich war.

„Das Schlimmste?“, fragte Jeschua und blickte Toni liebevoll an.

„Das Schlimmste“, keuchte diese, der war, als würde sie in ihrer Körpermitte zerteilt.

Als führe ein Schwert mitten durch sie hindurch und teile sie in entzwei.

„Weil du dich selbst verraten hast?“, fragte Gott Vater.

Toni nickte.

Und sah plötzlich Jeschua, wie der von jemandem verraten worden war, der zu seiner unmittelbaren Umgebung gehört hatte.

„Das ist schlimm“, hörte Toni Jeschuas leise und vollkommen unaufdringliche Stimme.

Vor ihm war Toni nichts peinlich.

„Ist mir auch geschehen“, hörte sie die Stimme der Direktorin.

Dann sah Toni, wie jemand etwas in ihren Mund goss, das grauenhaft war. Wie schmutziges, dreckiges und stinkendes Wasser kam ihr das vor. Trotzdem versuchte das Kind, die Direktorin, mit der sie einige ihrer schönsten Momente erlebt hatte, anzusehen.

Ephania Lopez nickte Toni zu.

„Ist mir auch geschehen“, wiederholte sie, was Toni auf ihre Knie brachte.

Warum wusste Toni nicht. Vielleicht, weil sie nicht mehr allein mit all dem war, womit sie wirklich versucht hatte, zurecht zu kommen. Und das bislang vollkommen allein. Mutterseelenallein sozusagen. Niemand war in diesen schrecklichsten Momenten bei ihr gewesen. Auch nicht danach. Kaum jemand hatte sich vorstellen können, wie das gewesen war, was Toni geschehen war. Was Toni jahrelang mitgemacht hatte. Indem sie sich selbst und alles, was in ihr nach Leben schrie, verraten hatte. Was Toni wie das Schlimmste in ihrem Leben vorgekommen war. Gerade jetzt, da sie es nicht nur den Dreien eröffnete, sondern auch einem Menschen, der angesehen war und der es geschafft hatte. Jemand Fremden sozusagen, auch wenn der gar nicht mehr so fremd war durch die Party, die Toni schon genossen hatte.

„Bis du nicht mehr wusstest, wer du warst“, flüsterte Ephania Lopez.

„Bevor ich mich ganz verloren habe“, antwortete Toni.

„Komm heran und trete hervor, Toni Königskind, so wie Gott dich erschaffen hat“, hörte Toni die Stimme der Direktorin, „nachdem du jemand anderes sein wolltest.“

„Nachdem ich jemand anderes sein wollte“, bestätigte Toni Königskind.

„Jemand, der sich danach anderen zur Verfügung gestellt hat, als würde er dann geliebt werden“, sagte Ephania Lopez leise.

„Ich“, flüsterte Toni benommen und hatte das Gefühl, in einen dunklen Abgrund zu sinken.

Mit all ihren Wunden, aus denen es blutete, und mit all den Tränen, die Toni gar nicht mehr weinen konnte, weil es zu viele waren.

„Es war zu schwer“, flüsterte Ephania Lopez.

„Es war zu schrecklich“, bezeugte Toni Königskind.

„Damit war dein Wille gebrochen und dadurch konnten alle alles mit dir machen, egal was es war“, fuhr Ephania Lopez fort.

„Damit konnten alle mit mir alles machen, was auch immer sie wollten“, bestätigte Toni.

„Mit diesem Verrat hast du ihnen alles übertragen, wie grauenhaft auch immer das für dich gewesen ist“, hörte Toni die Stimme der Direktorin und nickte. „Damit hast du dich ganz ihrem Willen und ihren Bedürfnissen und somit ihren Wünschen unterstellt, die nicht die deine waren“, erläuterte die Direktorin, die Toni weiterhin ruhig ansah.

„Damit habe ich mich vollkommen dem Willen anderer unterworfen“, bluteten die Worte aus Toni geradezu heraus.

„Dadurch durften die anderen wieder und wieder mit dir das machen, was du eigentlich nicht wolltest“, hörte Toni die sanfte und weiche Stimme der Direktorin.

„Damit durften die anderen alles tun, was auch immer sie wollten“, nickte Toni.

„Und wo warst du da?“, fragte Ephania Lopez.

„Ich war weg“, antwortete Toni.

„Und wo warst du?“, wiederholte Ephania Lopez sanft.

„Ich war im Totenreich“, antwortete Toni ruhig und hatte erstmals wieder den Mut, die Direktorin anzuschauen.

Und schon sah sich Toni im Totenreich und wie andere das mit ihr machten, was sie eigentlich nicht wollte. Und wie es ihr gleichgültig geworden war, sah sie. Es war ihr egal geworden. Das alles spielte keine Rolle mehr. Unabhängig davon, was sie alle taten. Die anderen. Dort jedenfalls fand Toni überhaupt nicht mehr statt.

„Das ist der Horror“, flüsterte Ephania Lopez.

„Das ist der Horror“, wiederholte Toni. „Und danach wollte ich sterben“, fügte sie hinzu und blickte die Direktorin mit offenem Mund an.

Jetzt verstand sie sich und jetzt stand sie zu dem, was ihr den größten Horror jemals verursacht hatte. Sich selbst so verraten zu haben.

„Tritt hervor, Toni Königskind“, lächelte Ephania Lopez, „trete aus all dem heraus, was dir den größten Horror jemals verursacht hat“, sagte sie laut und deutlich.

Toni war, als schwanke alles um sie herum und sie selbst auch. Als befände sie sich auf offener See. Als triebe sie auf offenem Meer, ohne dass irgendjemand jemals da gewesen wäre und sie gehalten hätte. Sie hätte nach sonst was gegriffen, einfach nur um so etwas wie Halt zu finden. Völlig orientierungslos war sie gewesen wie in einem grauenvollen Unwetter, in dem sie gar nichts mehr erkennen konnte. Selbst sich selbst nicht mehr.

„Und dann hast du so getan oder dir eingeredet, dass du das genauso wolltest, und dass dir das Spaß macht“, sagte Ephania leise, womit sie wohl das meinte, wonach Toni gegriffen hatte, um Halt zu finden.

Was ihr niemals hatte wirklich Halt geben können.

„Und dann habe ich so getan, als wollte ich das alles selbst“, flüsterte Toni und hatte das Gefühl, in dem Meer, das auch Ephanias Blick war, zu versinken.

„Womit du dich ihnen ganz hingegeben und das Totenreich als dein Zuhause angenommen hast“, brachte es Ephania Lopez auf den Punkt.

„Wir nehmen dir das jetzt“, erklärte Jeschua, der gerade hinzugetreten war.

„Das war das Tor zur Hölle“, erläuterte Jeschua.

„Das war die Hölle“, nickte Toni bestätigend und fand sich erstmals in ihrem Leben verstanden.

„Dann nehmen wir dir das jetzt“, wiederholte Jeschua und berührte Toni sanft bei ihren Schultern.

„Nehmt mir das bitte“, flüsterte das Kind, das nur noch Blut sah und dem war, als ertrinke es in seinen

Schmerzen.

„Das kann kein Mensch ertragen“, vernahm Toni Gott Vaters Stimme.

„Das kann niemand ertragen“, wiederholte Toni leise und blickte den an, der sie geschaffen hatte.

„Ich wollte das nicht“, sagte Toni deutlich.

„Und wir wollten das auch nicht für dich“, erwiderte Gott Vater, der jederzeit überall war, ebenfalls deutlich.

„Warum?“, entfuhr es Toni, die von diesen Schmerzen immer noch benommen war.

„Weil du nicht mehr durchgekommen bist. Weil wir nicht mehr durchgekommen sind. Und weil du aufgegeben hattest“, antwortete Jeschua ruhig. „Erst dich. Und dann uns.“

Toni blickte Jeschua aufmerksam an. Auch er hatte schon den größtmöglichen Horror auf allen Ebenen erlebt, sah sie. Danach war er an dieses fürchterliche Holzkreuz genagelt worden. So, wie er der Welt heute noch gezeigt wurde. Mit einer Dornenkrone auf dem Kopf und den Mahnmalen an Händen und Füßen, an denen man ihn so gut erkennen konnte. Denn danach war auch er ins Totenreich gekommen, sah Toni hier. Nur hatte er das überwunden. Drei Tage war er dort unten gewesen. Drei Tage, die dafür standen, dass er wirklich den Tod gefunden hatte. Aber dann war er wieder aufgestanden, durch die Kraft des Höchsten, Gott.

„Das Totenreich ist ein vollkommener Albtraum“, sagte Toni leise und blickte auf Jeschua. „Aber du hast das überwunden und damit stellvertretend für uns alle, die an dich glauben. Und daran, dass Gottes Macht, Wille und Plan dich da rausholen sollten und auch konnten“, flüsterte sie.

Jeschua nickte.

„Ich habe das Totenreich überwunden, warum das alle tun können, die an mich glauben und auch daran, dass das Gott Vaters Antwort und Lösung ist. Ich bin Leben und nicht Tod“, flüsterte Jeschua und blickte auf die, die sich kaum fassen konnte.

„Und weil du das schon geschafft hast, können wir das auch“, flüsterte Toni und blickte die Direktorin an, die ihr zunickte.

„Darum können wir auch in deinem Namen und mit dir an der Hand anderen zurufen, dass sie rauskommen sollen. Dass sie leben können und sollen, durch dich“, fuhr Toni fort und streckte ihre Hand nach Jeschua aus, der gekommen war, um sie vollkommen zu erlösen.

Von allen Schmerzen jemals und von der Schuld, eine Wand zwischen sich und Gott Vater errichtet zu haben, auf dass der nicht mehr an sie herangekommen war. An ihr Innerstes. Was Toni getan hatte, nachdem ihr das Unsagbare geschehen war.

„Das alles könnt ihr hier auflösen“, sagte Toni leise, schaute auf Gott Vater und meinte damit das Unfassbare, das ihr widerfahren war.

Was sie zugelassen hatte. In Todesangst. In der äußersten Verzweiflung ihrer selbst, aus der sie nur ein Gott wieder herauslösen konnte. Der richtige Gott. Ein lebendiger Gott. Eben der, der das Totenreich, also ihr ehemaliges Zuhause, durchschritten und stellvertretend sämtliche Qualen, die Menschen angetan werden konnten, überwunden hatte.

„Das war und das ist der Plan“, lächelte Jeschua und streckte seine Arme nach Toni aus, die sich bereitwillig hineinfallen ließ.

„Und warum glauben euch dann so wenige Menschen?“, fragte Toni und musterte Ephania Lopez, ehe sie an Jeschuas Blick hängen blieb.

„Weil sie sich selbst erlösen wollen. Weil sie gar nicht einsehen, dass sie Schuld auf sich geladen haben. Weil sie nicht verstehen, dass für alles, was möglich und was unmöglich ist, mein Sohn da ist“, antwortete Gott Vater.

„Aber ich dachte doch, dass ich Schuld habe“, entgegnete Toni und sah Gott Vater aufmerksam an.

„Schuld ist ein großes Wort“, setzte Gott Vater an. „Im Grunde meinen wir damit, dass ihr eine Entscheidung getroffen habt, in all diesen Schmerzen und in all eurer Verzweiflung, die euch den Zutritt zu uns versperrt und das Tor zum Totenreich geöffnet hat.“

Toni nickte und wollte verstehen.

„Also eben doch meine Schuld“, flüsterte sie.

„Ja, aber erst nachdem dir Schuld angetan worden ist, und nachdem sie uns dir nicht vorgestellt haben, als Ausweg und als Lösung“, antwortete Jeschua.

Toni drehte sich aus Gott Vaters Arm heraus und sah ihn durchdringend an.

„Habe ich falsch gemacht?“, fragte sie an Jeschua gewandt.

„Wusstest du nicht besser“, lächelte dieser.

„Darum ist es auch so wichtig, dass ihr davon berichtet, was ihr hier seht und erlebt“, ergänzte Ephania Lopez.

„Dass du die Schuld für uns trägst, Jeschua. Egal, ob die anderen uns die auferlegt haben oder wir sie durch unsere Entscheidungen auf uns gezogen haben“, flüsterte Toni.

„All das nehmen wir euch allen hier oben“, nickte Jeschua bekräftigend.

„Hier“, sagte Gott Vater, „hier habe ich dich wie ein Siegel auf meinen Arm gelegt, wie ein Siegel auf meine Brust, auf mein Herz habe ich dich, dein Leid und dein Leben gelegt. Du bist mir immer alles gewesen, darum habe ich meinen einzigen und geliebten Sohn zu euch auf die Erde geschickt, damit er euch zurückholen kann, wenn ihr das wollt.“

„Du bist das Tor, Jeschua“, flüsterte Toni und spürte, wie ihr Tränen aus den Augen rannen, die ihr aber immer mehr wie Ströme lebendigen Wassers vorkamen.

„Deine Wunden können hier oben bei uns heilen“, erklärte Gott Vater und fasste Toni bei ihren Schultern, „denn wovon auch immer wir dich oder euch lösen, die alten Wunden müssen heilen. Und auch dafür ist Jeschua hier, damit ihr vollkommen heilen könnt und sich eure Seele erholen kann, die Fürchterliches durchgemacht und erlitten hat.“

„Damit wir nach all dem Leid, diesem endlosen Terror und all unseren Entscheidungen, die uns nichts Gutes gebracht haben, heilen können“, murmelte Toni, die unter ihren vielen Tränen lachen musste.

Womit sie sich fast wie unter einer Dusche fühlte, die alles weg und sie reinwusch. Es war einfach zu schön, zurück nach Hause zu kommen, also dorthin, wo sie geliebt und gewürdigt, gereinigt und geheilt wurde.

„Darum habe ich das Fest für dich gegeben“, schmunzelte Gott Vater und hob Toni hoch, die ihre Arme fest um seinen Hals schlang.

„Und warum sind wir Mädchen getrennt von Jungs?“, fiel Toni plötzlich wieder ihre Eingangsfrage ein.

„Weil es erst einmal wichtig ist zu verstehen, wer ihr seid“, antwortete ihr himmlischer Vater.

Der, der sie alle ausnahmslos geschaffen hatte.

„Königskinder“, lachte Toni mitten in Gott Vaters Angesicht.

„Das seid ihr“, lächelte er, „aber ihr seid unterschiedlich geschaffen worden, wie es dir Greg, Alisha und Ephania ja auch schon gesagt haben.“

Toni nickte, verstand es aber noch nicht ganz.

„Nun“, übernahm Jeschua, der hier oben eindeutig männlich war, auch wenn seine Haare etwas länger waren, als Männer sie heutzutage trugen, „jedes Geschlecht hat seine Besonderheit und spezifische Ausprägung.“

„Also erst einmal bekommen Frauen Kinder“, versuchte Toni mitzukommen.

Gott Vater nickte.

„Das soll die Liebe später sein, wenn Frau und Mann Eins werden, womit etwas Neues entsteht und dann Kinder kommen.“

„Aber viele wollen das heute gar nicht mehr“, entfuhr es Toni prompt.

„Viele wollen das nicht und manche können auch nicht“, ergänzte Gott Vater.

Und dann sah es Toni.

„Weil sie nicht genau wissen, wer sie sind und wer ihr seid. Und wer sie in all dem sind, eben in euch“, flüsterte sie ergriffen.

Und schon sah Toni auf der Leinwand ein riesiges Mosaik aus Menschen, die sich innerhalb ihres Feldes bewegten.

„Wir haben einen Plan, der größer ist als alles, was ihr euch überhaupt vorstellen könnt“, lächelte Gott Vater.

Woraufhin Toni hinter den Feldern der Menschen Familienstränge sah, die über die Zwölf Stämme des ehemaligen Israel führten und zurück zu den ersten Menschen, Adam und Eva, die Gott als Mann und Frau gleichberechtigt geschaffen hatte. Beide aber hatten der Schlange mehr geglaubt als Gott Vater.

„Das tut mir sehr leid“, sagte Toni, als sie sah, wie sich Adam und Eva vor ihm versteckten, nachdem sie von dem einen Baum gegessen hatten, was Gott ihnen verboten hatte.

Und sie sah auch, wie Adam der Frau die Schuld gab und Eva der Schlange. Im Grunde gaben sie damit Gott Vater die Schuld, da er sie immerhin geschaffen hatte.

„Was ist das da für ein Baum?“, fragte Toni und deutete auf die Leinwand.

„Das ist der Baum des Lebens, der immer Früchte trägt“, antwortete Gott Vater.

„Jeschua“, entfuhr es Toni. „Und der andere?“

„Das ist der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse“, erklärte Gott Vater, „und allein von diesem einzigen Baum unter unzähligen hatten wir den Menschen geboten, nicht zu essen.“

„Aber sie taten es“, flüsterte Toni, der ganz seltsam im Herzen wurde.

„Ja“, nickte Gott Vater, „denn sie wollten selbst Gut von Böse unterscheiden, also richten, denn die Schlange hatte ihnen in Aussicht gestellt, dass sie dann wie ein Gott sein und alles in ihren eigenen Händen halten würden, also alles selbst machen und bewerkstelligen können.“

„Also sich selbst befreien und so zu sein wie du, also wie ihr Drei zusammen“, staunte Toni.

„So zu sein wie wir, um letztlich selbst richten, also sich selbst frei sprechen zu können“, bestätigte ihr Gott Vater.

„Aber das können sie nicht, nicht einmal, wenn sie von dem Baum essen, von dem ihr ihnen geboten hattet, es nicht zu tun“, flüsterte Toni.

„Woraufhin sie nicht mehr ewig bei uns bleiben konnten“, antwortete Gott Vater. „Seither seid ihr Menschen sterblich, denn was Adam und Eva damals begehrt hatten, war zu sein wie wir, und das geht natürlich nicht“, erklärte er, „denn ihr seid ja nicht wir, sondern nur in unserem Ebenbild geschaffen.“

„Also euch schon sehr ähnlich, wenn auch nicht gleich“, murmelte Toni, die es deutlich sah.

Menschen standen auf einer anderen Ebene, und das war eine deutlich unter den Dreien.

„Tja, und jetzt?“, fragte Toni und bedeutete Gott Vater, wieder heruntergelassen werden zu wollen.

„Jetzt könnt ihr durch Jeschua wieder zu uns zurückkehren“, antwortete der Erhabene und stellte Toni auf festen Boden.

Toni nickte. Das verstand sie schon. Immerhin war sie selbst schon hier und sagten es ihr die Drei auch immer wieder gerne: Hier war die Ewigkeit, nach der sich die Menschen eigentlich  zurücksehnten, wie ewig jung zu sein und damit auch nicht mehr sterblich. An einem Ort zu sein, wo sich auch Tiere nicht mehr gegenseitig etwas antaten. Also hier, wo die absolute Freiheit und Loslösung von allem Leid wie von aller Schuld, also von Tod war. Die Tür dorthin war Jeschua, auch das sah Toni deutlich.

„Und warum sind wir also unterschiedlich geschaffen worden?“, fragte Toni und meinte damit Mann und Frau.

Männlich und weiblich.

„Zum einen, um Leben weiterzugeben, was ich als Segen geplant habe, auf dass ihr die Erde gut bewirtschaften könnt“, antwortete Gott Vater.

„Und zum anderen?“, fragte Toni, um besser zu verstehen.

Auch, wer sie selbst war.

„Und zum anderen, damit eure Anteile, die unsere Anteile sind, in euch zusammenfließen und ihr als Mann und Frau Eins sein könnt, wie wir das sind.“

„Damit eure weiblichen und männlichen Aspekte zusammengenommen etwas Neues ergeben?“, fragte Toni, die es auf der Leinwand nur verschwommen sah.

Das Mosaik aus Menschen, das eines Tages ein Gesamtes ergäbe, mit was Gottes Sohn zu einem Ganzen verbunden würde. Die Braut, also der geistliche Leib, sollte mit dem Höchsten Eins werden, sodass die Menschenkinder wieder ganz und vollkommen mit Gott leben könnten.

„Ja, nickte Gott Vater, „und weil wir in euren Familien Erbe weitergeben möchten, innerhalb von Familiensträngen, die du auf der Leinwand siehst“, antwortete Gott Vater.

Toni nickte.

„Aber Familien lösen sich ja heutzutage schon sehr auf“, gab Toni zu Bedenken und blickte Gott Vater fragend an.

„Aber wir können alles wieder zusammenfügen“, lächelte er, was Toni daran erinnerte, dass Gott zumindest sie selbst schon als Eins wieder zusammengefügt hatte, nachdem sie sich ebenfalls in einer weltlichen Spaltung befunden hatte, die man derzeit überall auf der Erde sehen oder beobachten konnte.

„Aber auch Menschen lösen sich immer mehr auf“, sagte Toni mit Blick auf die Leinwand, denn dort waren viele Menschen, die weiblich geschaffen mehr männlich oder männlich geschaffen mehr weiblich waren oder die zwischen diesen Rollen wechselten oder das andere Geschlecht durch Operationen annahmen.

„Und warum jetzt getrennt?“, fragte sie.

„Jungs von Mädchen?“, entgegnete Gott Vater.

Toni nickte.

„Weil ihr in eurer Identität als Junge oder Mädchen erst einmal gefestigt werden sollt“, antwortete Gott Vater.

„Aber manche Kinder wären lieber jemand anderes“, lächelte Jeschua, „so, wie du das auch hin und wieder überlegt hast.“

Toni blickte ihn mit großen Augen an. Sie hätte wirklich manchmal lieber ein Junge sein wollen.

„Bei dir war das, weil du diesen Horror als Mädchen erlebt hast“, erklärte Gott Vater.

„Und bei anderen ist das anders?“, fragte Toni.

„Nun, auch nicht so viel anders als bei dir“, entgegnete Jeschua.

Toni nickte. Verstehen konnte sie das schon, warum jemand andere Rollen oder Identitäten annehmen oder in andere Geschlechterrollen oder Geschlechter hineinschlüpfen wollte. Einfach um auszuprobieren, ob das nicht besser war oder besser passte, gerade nach dem, was auch diese Kinder vielleicht erlebt hatten.

„Und das ist jetzt nicht Königskind-Identität, richtig?“, fragte Toni unbestimmt in die Runde.

„Das ist nicht die Identität, die wir für euch vorgesehen haben“, antwortete Gott Vater.

„Weil wir eigentlich alle einen Platz in diesem riesigen Mosaik haben, richtig?“, fragte Toni.

„Weil jeder seinen Platz in diesem riesigen Mosaik hat“, bestätigte Gott Vater.

„Und weil wir das alles gerne mischen oder auch vermischen würden“, ergänzte Toni.

„Weil ihr eure Persönlichkeitsfarben oft gerne anders mischen wollt“, nickte Gott Vater.

„Besonders dann, wenn euch etwas Unheilvolles geschehen ist oder ihr lächerlich gemacht worden seid“, erläuterte Jeschua.

„Oder weil in euren Familien Geschlechterrollen schon vor euch vertauscht worden sind“, erklärte Gott Vater.

„Oder weil Menschen ihr eigenes Geschlecht, einen anderen Menschen oder gar sich selbst anbeten möchten“, fügte Jeschua hinzu.

„Und weil das manchmal einfach zu kompliziert ist, das eigene Leben und die vielen Rollen darin“, murmelte Toni und blickte fragend umher.

Irgendwie war ihr das ähnlich geschehen. Zumindest konnte sie sich selbst gut darin erkennen.

„Das ist dein altes Selbst“, antwortete Gott Vater auf Tonis Gedanken.

„Eigentlich aber würde ich schon gerne Mädchen sein, weil ich ja so geschaffen worden bin“, fuhr Toni nachdenklich fort.

„Eigentlich wärest du wirklich gerne Mädchen, wenn du nur wüsstest, wie das ist“, schmunzelte Gott Vater.

Toni musste lachen.

„Aber so richtig habe ich jetzt nicht soo die Ahnung davon, weil irgendwie …“

„Weil im Moment alles aus den Fugen gerät“, antwortete Jeschua. „Nicht nur die Welt, also die Natur, sondern auch ihr Menschen, in eurer Identität, also in eurem Selbst.“

„Aber eigentlich sind wir alle für den größeren Plan in eine ganz bestimmte Fuge eingefügt“, sah es Toni auf der Leinwand.

Gott Vater und Jeschua nickten. Wer sich aus allem weitestgehend herausgehalten hatte, war Ruach.

„Und Ruach, die uns tröstet, ist auch mehr die weiblichen Aspekte“, entfuhr es Toni.

„Was ich alles bin“, antwortete Gott Vater.

„Au weia“, musste Toni lachen, „ich begreife es einfach nicht.“

Gott Vater schmunzelte.

„Das musst du alles nicht in vollem Umfang sofort begreifen“, sagte er ruhig. „Es würde schon reichen, wenn wir dir zeigen könnten, wie schön weibliche Aspekte sind und wie herrlich das eigentlich ist, Mädchen und ganz Frau zu sein“, lächelte Gott Vater. „Wie es ebenfalls schön ist, männlich und ganz Mann zu sein.“

„Wenn wir Kinder und Frauen nicht so schrecklich unterdrückt würden“, murmelte Toni.

„Das ist der alte Fluch, der damals vom ersten Adam und seiner Frau ausging“, entgegnete Gott Vater.

„Da warst du richtig wütend auf uns“, flüsterte Toni.

„Da war ich richtig wütend auf euch“, bestätigte Gott Vater. „Ich hatte euch alles gegeben – aber ihr wolltet mehr. Und das wollt ihr heute immer noch“, ergänzte er.

„Aber es ist nicht zu spät, zurück zu euch zu kommen und damit alles wieder zu bekommen“, grinste Toni, die es immer besser in ihrem Herzen verstand, da sie hier oben vieles sehen und eindeutiger fühlen konnte.

„Es ist noch nicht zu spät“, lächelte Gott Vater sein Kind an.

„Warum auch Ruach und Jeschua da sind“, bemerkte Toni.

„Warum euch die beiden in der Welt begleiten und letztlich wieder hierhin zurückbringen können“, antwortete Gott Vater.

„Wo wir uns mit euch und mit uns selbst versöhnen können“, atmete Toni schwer aus.

„Ja“, nickte Gott Vater, „das ist der Plan.“

„Aber das ist nur ein Teil des Plans“, murmelte Toni.

„Das ist nur ein Teil des Plans“, lächelte Gott Vater über seine Tochter, die wirklich gern verstehen wollte.

„Und ihr habt einen größeren Plan, den ich jetzt noch gar nicht sehen oder begreifen kann“, staunte Toni, die auf die Leinwand blickte, wie sich dort Mosaike vermischten, immer wieder neue Formen annahmen, vergingen und wieder neu wurden.

„Das neue Jerusalem?“, fragte Toni zögerlich.

„Das ist das neue Jerusalem“, bestätigte Gott Vater.

„Und da leben wir zusammen“, sagte Toni.

„Da leben wir mit denen zusammen, die mit uns überhaupt zusammenleben wollen“, lächelte Gott Vater. „Aber ohne die Schlange, die euch vor die Wahl stellt, uns zu glauben oder ihr, wäre der freie Wille, den wir euch gegeben haben, kaum etwas wert“, erklärte er.

So schwer war das also nicht zu begreifen, fand Toni Königskind, die das zu einem gewissen Teil selbst erlebte. Für einen kurzen Augenblick schloss Toni ihre Augen, woraufhin sie diese dunklen Orte sah, an denen Menschen wirklich Höllenqualen litten.

„Wir aber gehen jetzt an dunkle Orte, damit diese Menschen davon erfahren, dass sie durch oder mit Jeschua auch hierhin kommen können“, nickte Toni versunken.

Bis sie merkte, dass Jeschua vor ihr stand und ihr die Augen öffnete.

„Dafür bist du geschaffen worden, Toni-Königskind-unser-Schatz“, sagte er leise.

Woraufhin Toni kurz auf den Boden sank und sich wie in Meereswellen fühlte. Nur dass sie diesmal nicht allein war und das Meer sie sogar trug. Denn sie fühlte, dass sie sicher und geborgen war, wo auch immer das war. Sogar an Orten, die einem wirklich einen gehörigen Schrecken einjagen konnten, auch das sah Toni.

„Ich komme mit“, flüsterte sie und wollte einem Impuls folgend ihre Augen wieder öffnen.

Doch die waren irgendwie schon offen. Für den, der vor ihr stand.

„Wir“, flüsterte Toni.

„Wir“, lachte Jeschua.

„Mit Ruach“, sagte Toni.

„Mit Ruach“, antwortete Jeschua.

„Überall hin“, ergänzte Toni leise.

„Überall“, grinste Jeschua.

„Und Ephania?“, fragte Toni und blickte scheu auf die Frau mit den goldenen Haaren.

„Ephania wird dich das ein oder andere Mal rufen“, antwortete Gott Vater.

„Dein Plan“, lächelte Toni.

„Unser Plan“, entgegnete Gott Vater lächelnd.

„Ich bin im Plan“, entfuhr es Toni scheu.

„Du bist so was von in unserem Plan“, lachte Gott Vater.

Toni nickte.

„Für eine Zeit wie diese“, flüsterte sie.

„In einer Zeit wie diese“, entgegnete Gott Vater und küsste Toni mitten in ihr Herz.

„Und ich hatte so eine Angst“, atmete Toni schließlich aus, stand auf und umarmte erst Jeschua, dann Ruach, daraufhin die Direktorin und wog sich schließlich wieder in Gott Vaters Arm.

„Du bist eingezeichnet in mir“, flüsterte dieser und drückte Toni so fest an sein Herz, dass diese unwillkürlich seinen Herzschlag aufnahm.

„Deine Wunden sind in meinen Wunden gesichert, also aufgehoben“, wiederholte Jeschua leise.

„Wir sind alle ein Team“, hörte sie die sanfte Stimme der Direktorin.

Toni nickte und blickte Ephania Lopez an. Wie ein Meer, so kam es Toni vor, in dem Schätze verborgen waren.

„Eure Schätze“, musste Toni unwillkürlich lächeln.

„Unsere Schätze“, nickte Gott Vater.

Womit Toni verstand, dass das die Kinder waren, nach denen sie suchen würden, und zwar an diesen dunklen und teilweise sogar verborgenen Orten.

„Ephania kann in dieses Meer hineinsehen, darum kann sie dich auch rufen“, fuhr Gott Vater fort.

„Aber sie bleibt hier oben“, entgegnete Toni.

„Sie wird auch an verschiedene Orte gehen“, antwortete Gott Vater. „Manchmal wird sie dich holen, weil die Schätze dort oder die Kinder“, lächelte Gott Vater Toni an, „jemanden wie dich brauchen, der das selbst erlebt hat.“

Toni nickte.

„Die Kinder merken das“, flüsterte Ephania.

„Die Kinder merken genau, wenn ihnen jemand etwas erzählt, was nicht so ganz trifft“, bestätigte Gott Vater. „Ephania ist eher für das Übergeordnete“, fuhr er fort. „Du sollst dich mehr mit ihnen unterhalten, von Kind zu Kind sozusagen.“

Wieder nickte Toni. Das machte ihr schon Spaß. Und das hatte sie hier oben ja nun auch schon oft genug getan, sich mit ihnen zu unterhalten. Auch, um von sich selbst zu erzählen. Wie es ihr ergangen war und was sie dann gemacht hatte.

„Wir würden dir jetzt gerne einen Stab überreichen, Toni“, erklärte Gott Vater daraufhin feierlich, „der wie ein Staffelstab ist.“

Das kannte Toni aus dem Sportunterricht. Das mochte sie. Laufen konnte sie. Und erinnerte sich an das Fest, wo die Direktorin ihr das schon gesagt und prophetisch, was bedeutete, im Vorblick auf Gottes Willen, getan hatte. Vermutlich, weil es irgendwo in ihrem Lebensbuch stand.

„Okay“, antwortete Toni und blickte Ephania ruhig an, die von Gott Vater einen Stab überreicht bekam, den sie an Toni weitergab.

„Das ist der Stab des Lichts, das Gott Vater repräsentiert“, sagte die Direktorin sanft und malte mit ihren Fingern ein Kreuz auf Tonis Stirn, wie es Jeschua bereits getan hatte. „Dies Kreuz ist diesmal besonders für die Unterwelt“, erklärte die Direktorin ebenso feierlich wie Gott Vater zuvor, woraufhin sie das Kind umarmte, das nun Ephanias Herzschlag sehr stark und sehr deutlich spüren konnte.

„Darum war ich im Internat“, flüsterte Toni.

„Auch darum warst du im Internat“, lachte Ephania Lopez lauthals auf und fasste Toni bei den Schultern. „Es kann dir nichts mehr geschehen. Du bist hier und du bist bei uns. Dein Auftrag ist gültig“, erklärte sie lächelnd. „Die Drei haben ihn soeben bestätigt, also aktiviert.“

Kurz war Toni, als knickten ihr die Beine weg, doch irgendwie fühlte sie sich wie von Ruach gestärkt und gestützt.

„Auftrag angenommen“, antwortete Toni, der leicht schummrig wurde.

„Dann lasst uns feiern“, erhob sich Gott Vater und führte Toni an seiner Hand zu einer der Partys, die Toni während ihrer Internatszeit kennengelernt hatte.

Diesmal nur musste sie nicht mehr den steilen Berg hinaufkraxeln, sondern konnte Gott Vater geradewegs auf dessen Pfad in die Halle hinein folgen. Dieses Mal musste Toni gar nichts machen. Diesmal konnte sie einfach nur feiern. Was ein prachtvolles und was ein prunkvolles Fest war. An der Seite dessen, der sie geschaffen und der sie ausgesucht hatte. Für eine Zeit wie diese.

Auszüge aus ALLEN Geschichten

Kapitel I des Romans Sommerröte von Isabelle Dreher

Als die Flut kam

Joa hatte es ihr beigebracht: nicht zu verurteilen. Niemanden. Auch sich selbst nicht. Er führte sie an Orte, die sie ohne ihn nie gefunden hätte. Orte in ihrem Inneren, zu denen die Türen Zeit ihres Lebens verschlossen gewesen waren.

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Kapitel Streifen der Zerrissenheit Roman Sommerröte von Isabelle Dreher

Streifen der Zerrissenheit

Ohne es zu wollen, blickte Ceija auf die Wundmale des Mannes, der am Kreuz hing. Er war aus Holz und sah nicht gut aus. Eigentlich hatte sie sich nur eine kleine Auszeit von dem Geräuschpegel im Zelt, nehmen wollen den

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Kapitel In der Finsternis Roman Sommerröte von Isabelle Dreher

In der Finsternis

Lissy kniete auf dem Boden und dachte an ihren Pokal. Sie sehnte sich nach einem menschlichen Geräusch, nach einer menschlichen Stimme, die Gutes zu ihr sprach. Doch da war nichts als das kalte Echo der Mauern, das nackte Grauen vollkommener

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Kapitel Du musst für Gerechtigkeit sorgen Roman Sommerröte von Isabelle Dreher

Du musst für Gerechtigkeit sorgen

Joshua kam nach einer kräftezehrenden Nacht um zehn Uhr morgens in einem Staat an, der Religionsfreiheit im Grundgesetz verankert hatte. Da er eine Kippa trug, die hierzulande wohl selten zu sehen war, freute er sich, in Berlin Frauen mit Kopftüchern

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Kapitel Liebe und Gleichgültigkeit

Liebe und Gleichgültigkeit

Samstagabend hatte Helena alle zu einem Festessen geladen, von dem sie sich auch versprach, dass Max auf die ein oder andere Weise mit dem Wachstum ihrer Familie fortan klarkommen, wenn nicht gar Frieden schließen würde.

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Kapitel Im Zeichen der Selbstverherrlichung Roman von Isabelle Dreher

Im Zeichen der Selbstverherrlichung

„Sehen Sie“, begann Frau Kalkstein.
Helena, die wirklich gut zuhören wollte, blickte auf den Mund der Frau und war einige Zeit damit beschäftigt, zu überlegen, woran sie dieses ‚Sehen Sie‘ erinnerte.

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Kapitel Ungezählte Destinationen Roman Winterfachen von Isabelle Dreher

Ungezählte Destinationen

„Einer hat mehrere Menschen mit Migrationshintergrund umgebracht und dann sich selbst“, informierte Nourina ihr Gegenüber, das neben ihr saß und konzentriert die Wirtschaftsmeldungen der vergangenen Stunden durchging.

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Kapitel Mit Leben getauft Roman Winterfachen von Isabelle Dreher

Mit Leben getauft

Als sie erwachte, musste Nourina so fürchterlich husten, dass ihr war, als bekomme sie keine Luft mehr. Nachdem sie sich aufgerichtet hatte und wieder atmen konnte, blickte sie sich in ihrem Schlafzimmer um und dachte darüber nach, was sie alles

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Kapitel Glaube ist eine Waffe Roman Winterfachen von Isabelle Dreher

Glaube ist eine Waffe

„Wie war denn dein Tag?“, fragte Ilay seine Frau, nachdem er alles gegeben hatte und sie in seinen Arm zog, nicht anders als es der Christus getan hätte.
„Schön“, flüsterte sie, noch immer benommen von den Momenten in Jerusalem,

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Kapitel In einem anderen Reich GoldenTor

Ich bin anders

Reglos stand das Mädchen vor der Müllkippe. Mit geschlossenen Augen nahm es den Geruch von Abfall, Verwesung und Eisen wahr. Wie ein Brechmittel kam ihr das vor.

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Kapitel Das Buch deines Lebens GoldenTor-Geschichte von Isabelle Dreher

Das Buch deines Lebens

„Ist das Eden?“, fragte Toni, als sie mit ihm durch das herrliche Tor schritt.
„Weißt du denn wo Eden liegt?“, fragte Jeschua lächelnd, der sie sicheren Schrittes nach drüben geleitete.

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GoldenTor-Geschichte Bei uns gelten andere Gesetze

Bei uns gelten andere Gesetze

„Du wirst leben und du wirst Leben im Überfluss haben“, hörte Toni Jeschua sagen, der noch immer hinter ihr stand und seine Hände wieder auf ihre Schultern gelegt hatte. Toni fühlte, wie Kraft von Jeschua ausging und etwas von ihm

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Kapitel Steigt herauf GoldenTor-Geschichte von Isabelle Dreher

Steigt herauf

Ephania Lopez war ganz Gastgeberin und begrüßte allesamt herzlich. Es waren etwa dreißig Kinder gekommen, über die die Direktorin vorher schon mit den Dreien gesprochen hatte.

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Kapitel Wie eine Wand GoldenTor-Geschichte von Isabelle Dreher

Wie eine Wand

Nachdem Toni eine Zeitlang im Ferieninternat gewesen war, wo sie vieles gelernt und auch Gott Vater, seinen Sohn Jeschua und den Heiligen Geist Ruach besser kennengelernt hatte, kehrte sie zurück ins Schloss, wo sie neben ihrer Freundin Alisha lebte.

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Kapitel Wieder vereint GoldenTor-Geschichte von Isabelle Dreher

Wieder vereint

Alisha und Ramon blickten sich erstaunt an und folgten dann Jeschua und Ruach. Toni blieb etwas ratlos zurück. Nach allem traute sie sich kaum zu fragen: Und was ist mit mir? Ihr Herz machte solch einen Lärm, den Gott Vater

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GoldenTor-Geschichte In einer Zeit wie diese

Die goldene Stadt

Nachdem Toni die Zeit ganz verloren hatte, nahm sie lichtdurchflutete Engel zu beiden Seiten des Weges und an den Seiten zum Eingangstor wahr. Darüber war eine goldene Tafel angebracht und auf der stand ‚Jeru Schalim‘, was so viel hieß wie

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Kapitel An einem verborgenen Ort GoldenTor-Geschichte von Isabelle Dreher

An einem verborgenen Ort

Nach einem ereignisreichen Abend wachte Toni gut gelaunt in ihrem Zimmer im Schloss auf. Mit Jeschua, ihren FreundInnen aus dem Internat und Alisha, ihrer Zimmernachbarin, wollte sie eine Band gründen.

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Kapitel Siehe ich mache Neues GoldenTor-Geschichte von Isabelle Dreher

Siehe, ich mache Neues

Wie geduscht wachte Toni am kommenden Morgen auf und fand sich dem gegenüber, der sie wie eine Pflanze bewässerte.
„Wunder“, strahlte sie Jeschua an, „du tust Wunder über Wunder.“
„Nun bist du kein Waisenkind mehr“, strahlte der Strahlende

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